Confidence, Fahrlässigkeit, Mangel

Wer ein Large Language Model trainiert, gibt Daten ein, die der Beantwortung von künftigen Fragen an die KI nutzen sollen. Die Software erkennt Strukturen und bietet Lösungen an. Klar ist, dass nicht alle Antworten zutreffend sind.

Wer also eine Software, die zur Interaktion mit dem Kunden eingesetzt werden soll, trainiert, wird damit konfrontiert, entscheiden zu müssen welche Ergebnisse angezeigt werden sollen und welche zu schlecht sind, um sie dem Nutzer der KI zu präsentieren. Bei Bilderkennungs-Software z.B., kann die Maschine einschätzen, wie weit sie von den trainierten, also bekannten und sicher zugeordneten, Bildern entfernt ist, wenn sie ein unbekanntes Bild präsentiert bekommt. Der Grad der Übereinstimmung des einzustufenden Bilds mit bekennten Bildern wird als Confidence-Wert z.B. mit Prozentangabe ermittelt. Je höher die eigene Confidence-Bewertung der Software ist, desto höher ist die erwartete Wahrscheinlichkeit, dass die Einsortierung richtig ist.

Die Einstellung der erkennenden Software kann üblicherweise eine bestimmte Höhe der Confidence als Schwellenwert festlegen, die notwendigerweise zu erreichen ist, um ein Ergebnis dem Nutzer – als zur Beantwortung hinreichend – anzeigen zu lassen.

Aus juristische Sicht ist diese technische Einstellung durchaus bedeutsam. Dies betrifft insbesondere die Einschätzung eines interagierenden KI-Software-Produkts als vertragskonform oder mangelhaft, denn: Überlässt man eine Software zur Nutzung, die mit zu geringen Confidence-Werten eingerichtet ist, so ist zu erwarten, dass diese in einer Vielzahl von Fällen nicht zutreffende Ergebnisse präsentiert, also vom vertraglich vorausgesetzten Einsatzzweck abweicht.

Im Streit zwischen Developer/Trainer und Auftraggeber (über die Software-Erstellung und Funktion einer LLM-basierten Software) ist die Einstellung der Confidence für die Bewertung als fahrlässige oder vorsätzliche Vertragsverletzung zu berücksichtigen. Bei nur geringen Confidence-Werten, die zur Anzeige zugelassen werden, kann von einem Mangel des Produkts ausgegangen werden.

Außerdem ist aus Sicht eines Verbrauchers eine Mindestsicherheit der künstlichen Intelligenz, die ihm gegenüber vom Unternehmen verwendet wird, vorauszusetzen. Die vertragliche Nebenpflicht des Unternehmers aus dem BGB zum Schutz der Rechtsgüter des Vertragspartners erfordert eine Aufklärung über nicht erwartbare Risiken z.B. bei Verwendung des Unternehmens-Chatbots. Ist die Confidence-Einstellung zu gering oder wurden zu wenige Trainingsdaten verwendet, so hat der Unternehmer den Verbraucher darüber aufzuklären, wenn er Chatbots im Kontakt mit dem Verbraucher einsetzt. Der Unternehmer muss für eine Fehlberatung seiner KI mit falschen Confidence-Werten einstehen, da der Verbraucher ein Mindestmaß an Training und Antwort-Sicherheit voraussetzen kann, wenn er einem solchen Modul im Web des Unternehmers begegnet. Freizeichnungsversuche wie „ich lerne noch“-Hinweise neben dem Chatbot oder ähnliches, können den Unternehmer nicht von einer Haftung für fehlerhafte Einstellungen der Confidence-Schwellenwerte befreien.

Für Unternehmer ist es daher ratsam, die Schwellenwerte für Confidence eher hoch anzusetzen und unterhalb dieser Schwelle Vorgänge auf eine „menschliche Bearbeitung“ umzuleiten. Statt „KI-Einsatz um jeden Preis“, sollte „lieber nichts als falsch“ das Ergebnis bestimmen. So, und jetzt ist die Diskussion eröffnet, ab welcher Confidence-Schwelle sich das Unternehmen sich noch compliant verhält.

Revival der robots.txt?

Über Sinn oder Unsinn der robots.txt gibt es verschiedene Ansichten, mitunter weil sie von manchen Web-Crawlern ignoriert wird. Wenn Sie in der Pflicht sind, als Verantwortlicher eines Unternehmens bestimmte Inhalte im Web vor Ausbeutung durch Suchmaschinen mit künstlicher Intelligenz zu schützen, kann die Verwendung der robots.txt ein Baustein sein:

Im Rechtsstreit über Urheberrechtsverletzungen wegen Inhalten, die ein Large Language Model zusammenstellt und ausgibt, kann es hilfreich sein, zu belegen, dass bestimmte Seiten von der Indexierung ausgenommen waren, weil man diese Inhalte nicht im Web an anderer Stelle wiederfinden wollte, gerade weil man ihnen besonderen urheberrechtlichen Wert beimisst.

Will ein fertigendes technisches Unternehmen zum Beispiel besonders detaillierte technische Beschreibungen nicht in Antworten einer fremden KI sehen, so ist es zu raten, eine inhaltlich einfacher gestaltete Web-Seite zu generieren, über die der Nutzer zu einer komplexen Seite der Webpräsenz des Unternehmens gelangt. Dem suchenden Roboter kann dann vorgeschrieben werden, die einfache – nicht aber die komplexe Seite zu crawlen. Sinnvoller wäre es noch, alle urheberrechtlich geschützte Inhalte von besonders hohem Wert in einem Verzeichnis zusammenzufassen und in der robots.txt z.B. so auszuschließen:

User-agent: *
Disallow: /diesesverzeichnis/

Die Kopie der einschlägigen Vermerke in der robots.txt helfen dem Rechtsanwalt im Verletzer-Prozess gegen KI-Anwendungs-Anbieter. Hier könnte dem Urheber eines kopierten Texts auch helfen, dass er mit der entsprechend formulierten robots.txt eine maschinenlesbare Einschränkung nach § 44 III UrhG einsetzen will.

einsetzt.Und – ja der Anwalt weiß: Die Begeisterung bei den für SEO Verantwortlichen wird nicht steigen, wenn besonders „unique“ Inhalte vom crawlen ausgenommen werden sollen. Wer gegen diese Ausnahmen ist, sollte dann aber wenigstens die KI-Suchmaschinen-Ergebnisse dahingehend überwachen, ob Zitate über die Herkunft der Inhalte (richtig) aufgeführt werden.

AI changes SEO

Die Entwicklung künstlicher Intelligenz, insbesondere Verbraucher-freundlicher Programme mit Sprach-Inferfaces, bringt Herausforderungen für Marketing- und Rechtsabteilungen.

Einerseits kann generative KI dazu verwendet, werden, Artikel (und anderen „Content“ in Textform) schnell schreiben zu lassen, die ein gesteigertes Ranking nach Einbindung in die eigenen Webpräsenz ermöglichen. Es ist aber davon auszugehen, dass Suchmaschinen künstlich generierte Artikel künftig an der Art der Zusammensetzung erkennen und geringer ranken. Selbst geschriebene Artikel sind aus rechtlicher Sicht vorzugsweise zu empfehlen, weil Urheber und Lizenz z.B. für den Arbeitgeber nachvollziehbar sind. Momentan gibt es bei den verbreiteten, kostenlos zugänglichen Sprachmodellen keine Garantie, dass der Bot bei der Formulierung keine Urheberrechte verletzt (Sprachwerke im Sinne des § 2 I Nr. 1 UrhG sind z.B. betroffen).

Aus rechtlicher Sicht ist außerdem wichtig, dass die Verantwortlichkeit des Inhalts der Artikel besteht, wenn man diese in die Webpräsenz einbindet. Daher müssen generierte Artikel daraufhin untersucht werden, ob sie über das eigene Unternehmen nicht wettbewerbswidrige Aussagen machen, wie zum Beispiel über die Unternehmensgröße, Marktmacht oder Produkte. Im Sinne des § 5 UWG muss überprüft werden, ob der Artikel irreführend ist. Es gibt Belege, dass künstliche Intelligenz halluziniert, also falsche „Fakten“ darstellt.

Hinsichtlich der Optimierung von Suchmaschinen (SEO) ist eine Änderung zu erwarten: Die Suche über Texteingabe dürfte teilweise abgelöst werden und durch eine Suche der Nutzer über Sprach-Interfaces mit Large Language Modellen ersetzt werden. Nutzer werden sich etwa daran gewöhnen, GPT zu fragen, statt in Google Search einzutippen. Google hat dies erkannt und arbeitet an eigenen Softwares wie Gemini – stets mit dem Ziel den Nutzer nicht an KI der Konkurrenz zu verlieren.

Und der Chef verantwortet die KI

Zu den Pflichten der Vorstände und Geschäftsführer zählt die Überwachung des Unternehmensablaufs. Nachdem Hacks und Angriffe auf Unternehmensinfrastrukturen immer weiter zunehmen (oder zumindest mehr in das öffentliche und juristische Interesse rücken), gehört der Bereich der IT–Sicherheit zu den wichtigen zu überwachenden Gegenständen. Es geht nicht nur um die Abschottung gegen Angriffe von außen und es wird auch seltener ein Informationsdieb mit dem Fotoapparat über Zäune springen. Aber gerade die Verlockungen für Mitarbeiter am eigenen Arbeitsplatz neue Technik zu verwenden, die als künstliche Intelligenz bezeichnet wird, ist eine Gefahr. Die Unternehmensführer müssen sich klarmachen:

KI ist nicht „irgendeine Intelligenz“ im Netz. Sie beruht auf riesigen Datenmengen, die mittlerweile besser als früher verknüpft und rechnerisch verarbeitet werden können. Diese Datenmengen müssen von der KI beschafft werden. Auch und gerade aus Unternehmen und auch und gerade mit BYOD/eigenen Geräten der Mitarbeiter.

Die Mitarbeiter müssen die Funktionsweise der sogenennten KI verstehen. Ihnen muss klar sein, dass jede Anfrage Datenspuren hinterlässt. Nicht umsonst schreibt Snapchts my AI in hier: „Außerdem solltest du vermeiden, vertrauliche oder sensible Informationen mit My AI zu teilen.“ Die Möglichkeiten, die GPT 4 o bieten wird, um Lernen zu vereinfachen, kann als Spur hinterlassen, was als Lerndefizit beim Nutzer besteht. An solchem Wissen über Schwächen hat die Konkurrenz gelegentlich auch strategisches Interesse.

Unternehmensführer, die sich nicht mit den Hinweisen des BSI (und Verweisen auf gemeinsam mit anderen Staaten erarbeiteten Guidelines) auseinandersetzen, sind also künftig vermutlich häufiger in die persönliche Haftung zu nehmen.

Wo Unternehmen ihr eigenes KI – Modell trainieren, muss klar sein, dass eine Eingabe mit sinnlosen Daten (data poisoning) ein ernst zu nehmender Angriff im Wettbewerb ist. Ist Mist in der eigenen KI, kann diese nicht mehr zur Entscheidungsfindung entlastend herangezogen werden, siehe dazu Beispielhaft der Wortlaut des Aktiengesetzes:

§ 93 AktG Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder

(1) Die Vorstandsmitglieder haben bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die den Vorstandsmitgliedern durch ihre Tätigkeit im Vorstand bekanntgeworden sind, haben sie Stillschweigen zu bewahren.

Soweit die Gesetzesnorm: Erkennbar ist daraus auch, dass das Vorstandsmitglied nicht in irgendeine fremde KI Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse eingeben darf. Die Praxis wird spannend werden.